Philosophischer Rabatz

Lauschempfehlung (1): Philosophy Bites mit Anthony Grayling

Lauschempfehlung (1): Philosophy Bites mit Anthony Grayling

Die Behauptung, dass es Götter gibt, scheint mir intellektuell genauso respektabel zu sein wie zu denken, dass es Feen im eigenen Garten gibt. Anthony Grayling

Die Vorweihnachtszeit bedeutet für die einen Stress, für die anderen ist es eine Zeit der Besinnlichkeit. Wenn Du zu denjenigen gehörst, die an kalten Wintertagen gern mal einen Podcast hören, ist diese Empfehlung genau richtig für dich.

Philosophy Bites mit Nigel Wharburton und David Edmonds gibt es seit 2007. Wenn Du hier das erste Mal davon liest, kannst Du aus mehr als 400 Folgen auswählen. In jeweils 10 bis 15 Minuten gibt ein*e Philosoph*in Auskunft über ein philosophisches Problem.

Meine Lauschempfehlung für den dritten Advent ist eine der ersten Folgen (Folge 12), veröffentlicht am 30.07.2007. Anthony Grayling spricht mit Nigel Wharburton über Atheismus.
Genau das Richtige, wenn Du noch ein Powerthema für das Weihnachtsessen mit der Familie suchst ;)

Agnostiker*in sein: was für eine Wischi-Waschi-Position!

Meine Lieblingsstelle des Gesprächs ist gleich zu Beginn. Grayling spricht sich dafür aus, statt von Atheismus besser von Naturalismus zu sprechen. Darunter versteht er die Position, dass es Naturgesetze gibt, die das Universum beschreiben. Nigel fragt, ob diese Position konsistent (d.h. übereinstimmend) mit der eines Agnostikers sei. Darauf anwortet Grayling nun:

„Agnosticism is the view that you don‘t really know whether or not there is supernatural agencies. That seems to me to be a pretty wishy-washy fence sitting kind of view. Because the question at stake here is one about rationality. The intellectual respectability of a claim that there are gods (…) seems to me to be exactly on a par with the intellectual acceptability of thinking that there are fairies in your garden.“

Moment mal: Der Glaube an Götter / Gott ist gleichzusetzen mit dem Glauben an Feen? Anthony Grayling erklärt, dass bis ins späte 19. Jahrhundert hinein viele Menschen an die Existenz von Feen geglaubt haben. Sie wurden verantwortlich gemacht, wenn kleine Gegenstände wie Teelöffel verloren gingen.

„If you think that the reasons you have that there are fairies are very poor reasons, that it is irrational to think that there are such things, then belief in supernatural agencies in general is irrational in that way. So for me it is a question of rationality of belief. And agnostics who think that there is as much chance that there might be such entities as that there might not be such entities, fall foul of this stricture.“

Ich glaube nicht an Feen – also glaube ich auch nicht an Götter

Zugegeben, dieses Argument ist etwas gemein. Vordergründig greift Grayling Agnostiker*innen dafür an, dass sie sich nicht entscheiden wollen. Gleichzeitig macht er es schwierig, sich für einen Glauben an Götter auszusprechen.

Wenn Du deine Eltern beim Essen fragst: „Glaubt ihr an Feen?“, werden diese wohl sagen: „Quatsch!“ Nun kannst du weiterfragen: „Wieso nicht?“ und aus ihnen herauskitzeln, dass sie nicht an die Existenz und Präsenz übernatürlicher Wesen in unserer Welt glauben. Die einzige Konsequenz daraus ist, dass sie entsprechend auch nicht an Götter glauben, die ja unter diesen Begriff fallen.

Agnostiker*innen ihre bequeme Position vermiesen

Ich mag das Argument aber vor allem deswegen, weil es die falsche Bequemlichkeit von Agnostiker*innen aufdeckt. Es ist einfach zu sagen: „Ich bin mir unsicher, ich warte lieber noch ab, bis ich mich entscheide.“ Mit Graylings Argument können wir es den Agnostiker*innen in unserem Umfeld ganz einfach ungemütlich machen. Entscheide dich, was Du überzeugend findest, das ist ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit!

Gar kein schlechter Auftakt für ein spannendes Weihnachten, oder? :)