Philosophischer Rabatz

Theodor Adorno: Erziehung zur Mündigkeit

Theodor Adorno: Erziehung zur Mündigkeit

„Ich möchte aber nachdrücklich betonen, daß die Wiederkehr oder Nichtwiederkehr des Faschismus im Entscheidenden keine psychologische, sondern eine gesellschaftliche Frage ist.“ – Theodor W. Adorno

Kurzübersicht

*Worum geht es?*Im Kern zeigt Adorno in seinen Analysen, dass die Schrecken der Nazizeit nicht so weit überwunden sind, wie man gerne glauben wollte.

Du solltest dieses Buch lesen, wenn…… Du dich gruseln möchtest, wie aktuell Adornos Beobachtungen und Warnungen heute (wieder) sind.

*Was ist die Kernaussage?*Die Demokratie ist keinesfalls so sicher, wie wir glauben möchten. Die Bedingungen für zerstörerischen Nationalismus dauern fort.

Das sagt Sebastian:

Man muss ja gar nicht alles verstehen, was Adorno sagt. Der Band „Erziehung zur Mündigkeit“ sammelt acht Vorträge und Gespräche Adornos mit Helmut Becker, die er zwischen 1959 und 1969 im Rundfunk hielt. Man kann sich diese z. T. selbst anhören. Man muss auch nicht jeden der Texte lesen. Aber vieles, von dem Adorno spricht, ist fast 60 Jahre danach immer noch – oder wieder – aktuell. Ein Beispiel: Gleich zu Beginn des ersten Textes von 1959, noch auf der ersten Seite, heißt es: „Der Nationalsozialismus lebt nach, und bis heute wissen wir nicht, ob bloß als Gespenst dessen, was so monströs war, daß es am eigenen Tode noch nicht starb, oder ob es gar nicht erst zum Tode kam; ob die Bereitschaft zum Unsäglichen fortwest in den Menschen wie in den Verhältnissen, die sie umklammern.“

Adorno spricht in diesem Text über die noch junge Demokratie in Deutschland und darüber, dass sie keineswegs so sicher ist, wie sie scheint. Um nur ein Beispiel zu nennen: Demokratie würde vorerst akzeptiert, weil sie Wohlstand bringe und es den Leuten gut ginge – jedoch nicht aus Überzeugung, dass sie die bessere Staatsform sei. Man halte dagegen aktuelle Studien zur Demokratiezufriedenheit in Deutschland: immerhin jede*r Dritte ist mit der Demokratie in Detuschland eher unzufrieden (Quelle: Statista, Umfrage vom Juli 2018).

In den folgenden Texten geht es dann stärker um Erziehung: welche Rolle hat Fernsehen, wie soll(te) die Lehrer*innenausbildung aussehen. Und das ist auch heute noch relevant, wenn Adorno davon schreibt, dass auch in Zeiten des Lehrkraftmangels nicht die Falschen zur Lehrer*innen gemacht werden dürfen und dass sich angehende Lehrer*innen im Laufe des Studiums ernsthaft die Frage stellen müssen, ob sie für den Beruf geeignet sind – und wenn nicht die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen sollten.

Dann aber geht es um Erziehung und zentral ist doch natürlich das „Erziehung nach Auschwitz“, eingeleitet mit jenem berühmten Zitat: „Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.“ Diesen Text sollte jede*r gelesen haben. Sind die Bedingungen, die zu Auschwitz geführt haben, verschwunden oder nicht? Sie dauern fort. Es gilt, die Mechanismen zu erkennen, die organisierten Massenmord ermöglichen. Auch das scheint derzeit aktueller zu werden. „Nicht die Ermordeten sind schuldig (…). Schuldig sind allein, die, welche besinnungslos ihren Haß und ihre Angriffswut an ihnen ausgelassen haben.“ (Wie leicht lässt sich das analog für all die (rechten) Straftaten gegen Geflüchtete formulieren.) Adorno schreibt darüber, wie vehement Menschen verdrängen (wollen). Bloß nicht das Grauen an sich heranlassen, noch nicht einmal in Erzählungen. Und … ach: lies es einfach selbst, es lohnt sich wirklich!