Philosophischer Rabatz

Ressourcen, Umwelt & Ethik

Ressourcen, Umwelt & Ethik

In diesem Eintrag ist ein wenig geistige Flexibilität gefordert. Wir starten bei Ressourcenverbrauch und Ressourcenverschwendung, springen zur Umweltzerstörung und kommen bei Technikethik aus.

Kein Thema: Ressourcenknappheit

Der Historiker Yuval Noah Harari ist der Meinung, wir müssten uns um Ressourcenknappheit keine Sorgen machen. In seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ argumentiert er: „die Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt, dass Energie und Rohstoffe nur theoretisch begrenzt sind.“ (Wissenschaftlicher) Fortschritt habe bisher noch immer neue Energiequellen und Materialien gefunden, außerdem würde unsere Energienutzung immer effizienter.

Die Gefahr: Umweltzerstörung

Nun ist es heikel aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen, wenn die Rahmenbedingungen sich ändern. Die Rahmenbedingungen, das ist die Umwelt – und die zerstört der Mensch in rasanter Geschwindigkeit. Die Umweltzerstörung sollte uns daher mehr Sorgen bereiten, nicht mögliche Ressourcenknappheit.

Eine neue Ethik

Es steht viel auf dem Spiel. Ohne funktionierendes Ökosystem kann auch der Mensch nicht überleben. Wenn wir die Umwelt zerstören, zerstören wir auch unsere Lebensgrundlage. Soweit so bekannt. Wie sollen wir uns angesichts dieser Bedrohung verhalten? Der in Mönchengladbach geborene Philosoph Hans Jonas (1903 – 1993) hat darauf 1979 eine Antwort gegeben. Sie heißt: „Das Prinzip Verantwortung“. Schon vor fast 40 Jahren argumentierte Jonas, dass der Mensch angesichts seiner neuen (technologischen) Fähigkeiten eine neue Ethik brauche.
Das Argument geht so:

Wissenschaft(licher Fortschritt) hat Menschen Macht in ganz neuer Dimension gegeben (Jonas nennt als Beispiele Genmanipulation und die Veränderung des Klimas). Bisherige Ethiken bezögen sich lediglich auf unmittelbare Effekte menschlicher Handlungen auf andere Menschen. Sie nehmen dabei an, dass die Natur des Menschen und die Natur der Dinge unveränderlich seien und sich auf dieser Grundlage menschlich Gutes eindeutig bestimmen ließe – die Reichweite menschlichen Handelns und damit ihrer Verantwortung sei eng umschrieben.
Genau das trifft nun aber nicht mehr zu: wir Menschen greifen in die Natur ein.

Neue Ethiken müssten damit umgehen können, dass Menschen in der Lage sind (unumkehrbare) Handlungen auszuführen.

Eine neue Dimension menschlichen Handelns seien insbesondere kollektive Handlungen und die Kulmination von Handlungen: wenn ich mit dem Auto zum Bäcker fahre, mag das keinen großen Unterschied für das Klima machen – wenn alle es tun, dann eben doch.

Wenn wir angemessen mit diesen neuen Möglichkeiten menschlichen Handelns umgehen wollten, dann müssten wir unseren Wissensstand aufpeppen. Unser Wissen muss den Folgen unserer Handlungen entsprechen – eine unmögliche Forderung. Woher sollen wir wissen, welche Folgen es hat, dass wir Fässer radioaktiven Mülls für hunderttausende von Jahren lagern müssen? Wir müssen unter Unsicherheit und Nichtwissen handeln.

Jonas argumentiert für eine „Heuristik der Furcht“: Wissenschaft soll so gut wie möglich voraussagen, was die schlimmstmöglichen Folgen unserer Handlungen sein könnten und diese sollten in der Handlungsentscheidung wie Vorhersagen behandelt werden (vgl. Jonas 1979/2003, S. 64 f.).

Das Prinzip Verantwortung formuliert Jonas schließlich als Abwandlung des Kategorischen Imperativs*: „Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden“. (Jonas 1979/2003, S. 36)

Und nun? Wie wende ich das Prinzip Verantwortung an?

Kollektive Handlungen haben ein Problem: sie erlauben es uns, die Verantwortung abzugeben. Wir fühlen uns nicht direkt verantwortlich für die Zerstörung der Umwelt, wenn wir mit 200 Km/h über die Autobahn fahren oder mit Freunden Cocktails schlürfen und selbstverständlich Plastikstrohhalme verwenden. Und auch beim Grillen im Park machen wir uns über den Müll, den wir produzieren (und das CO2, das bei der Produktion des Grillfleischs und durch das Verbrennen der Kohle entsteht) keine Gedanken. Kollektive Handlungen lassen sich am besten durch Selbstbindungen lösen. Um in den Beispielen zu bleiben: Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen und Plastikverbote helfen uns dabei, uns im Sinne Jonas‘ ethisch korrekt(er) zu verhalten. Wir können zwar versuchen, das Prinzip Verantwortung individuell zu befolgen – aber es muss vor allem auch auf politischer Ebene befolgt werden.

*Kants berühmter Kategorische Imperativ lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“